Texte von Lars Rindfleisch

       
     
 

"Ganz nah und doch so fern"
von Kirsten Holst

Inhaltsangabe

Das Buch "Ganz nah und doch so fern" von Kirsten Holst erzählt von dem etwa 18-jährien Claus. Anfangen tut alles in Hannahs weißem Haus am Strand. Claus erinnert sich noch genau - an die ausgelassene Fete am Swimmingpool, auf der Agathe ihn abblitzen lässt. An die Nacht allein, mit dem schnarchenden Fotto neben sich. An den Morgen am Meer, wo Thomas weiter hinausschwimmt als alle anderen. An diesem Morgen fällt auch die Bemerkung, die später so viel in Gang setzt. Die folgende Zeit ist wichtig für Claus - aufwühlend, anstrengend und manchmal schön. Er ist verliebt in Agathe, kann ihr aber nicht näher kommen. Sein bester Freund Thomas verändert sich sehr und zieht sich immer mehr zurück. Und da sind die Treffenmit der Clique in Hannahs Haus. Dann kommt das Gerüch auf, Claus sei schwul, was bewirkt, das alle gleich denken er habe AIDS (das Buch wurde 1987 geschrieben, damals glaubte man noch AIDS könnte durch bloße Berührung übertragen werden) Das alles macht Claus heftig zu schaffen, bis es mit Agathe doch klappt. Doch schon bald überstürzen sich die Ereignisse.

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Meine Beurteilung:

Das Buch beschreibt, aus der Sicht von Claus, wahnsinnig spannend die alltäglichen Sorgen von Jugendlichen. Natürlich kommt in diesem Buch gleich sehr viel zusammen, aber erst fängt alles eigentlich völlig normal an. Gerade wenn man anfängt mit Claus mitzufühlen, sich mit ihm freut, mit ihm trauert, überstürzen sich die Ereignissen. Man fragt sich immer des öfteren, was das jetzt schon wieder bedeuten soll und kann gar nicht mehr aufhören zu lesen. Ich selbst habe fast eine ganze Nacht durchgelesen und das Buch hat mich bis zum Ende wachgehalten und auch danach konnte ich nicht sofort einschlafen. Das Buch wühlt auf und bringt einen zum Nachdenken, wenngleich AIDS heute nicht mehr ganz die Bedeutung hat wie 1987. Was mich besonders an dem Buch begeistert hat, war auch die enge Stimmung, die die Autorin erzeugte. Mal bedrückend, mal befreiend. Insgesamt ist das Buch, aber eher bedrückend man selbst weiss nicht so genau, wo man dran ist und "Claus", weiss auch nicht immer was er eigentlich so genau will. Aber nach dem ich die letzte Seite gelesen hatte, war ich mir sicher, dass man das Buch gelesen haben sollte und dass Kirsten Holst eine Geschicht erzählt hat, die sich so jederzeit in der Wirklichkeit abspielen könnte.

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Informationen zum Buch:

- Das Buch hat 209 Seiten.
- Es ist 1992 im Herder Verlag erschienen. (Preis ist mir unbekannt)
- Es ist mit dem "Preis der dänischen Buchhändler" ausgezeichnet worden

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Textauszug:

"Neben Geigenunterricht, Training, Job und Federball musste ich auch noch meine Aufgaben machen und wollte mit meinen Freunden zusammen sein, vor allem natürlich mit Thomas - fast hätte ich das alles wirklich nicht geschafft. Ich hatte zwar nichts gegen Arbeit oder dagegen, mich zu beschäftigen, ich war wirklich gerne ununterbrochen aktiv, aber mich störte, dass alle so festgelegt war, dass Unerwartetes kaum einen Platz hatte. Die tägliche Routine klaut dir einfach die meiste Zeit. Sie verschluckt Tage, Wochen, Monate, und Jahre, haps! Schon sind sie in der großen Rotinemühle verschwunden. Wenn deine Zeit von früh bis spät total festgelegt ist, dann ist dauernd schon wieder Montag - oder Freitag, wenn man es optimistisch sehen will -, aber in jedem Fall fliegt die Zeit davon, und man wird immer älter, fast ohne es wahrzunehmen und ohne besonders viel zu erleben. Einige Zellen sterben, andere ändern sich, und eines schönen Tages entdeckt man vielleicht, dass man schon hundert Jahre alt ist und sein Leben einfach verbraucht hat, ohne es richtig bemerkt zu haben. So wie man ganz in Gedanken eine Tafel Schokolade auffrisst, ohne den Geschmack zu registrieren - sie verschwindet einfach in der Speiseröhre. Ich frage mich, ob ich mit hundert Jahren immer noch Jungfrau sein würde - weil ich wohl bis an mein Lebensende nur hinter Agathe herstöhnen würde."

(Seiten 61 und 62)

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